| Flying Blind In Shenzhen |
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Donnerstag, 13. Dezember 2007
Peter Straub: IN THE NIGHT ROOM
jensrb, 10:18h
![]() The Purple Rose Of Millhaven (3/5 Punkte) Aufgrund der positiven Rezensionen zu Straubs LOST BOY LOST GIRL (dt. DAS HAUS DER BLINDEN FENSTER), wollte ich mir eigentlich diesen Roman zu Gemüte führen. Leider hatte es die hongkonger Buchhandlung meines Vertrauens nicht vorrätig, so dass ich mich für Straubs Nachfolgewerk IN THE NIGHT ROOM (dt. SCHATTENSTIMMEN)entschied. Dabei stellte sich heraus, dass IN THE NIGHT ROOM im wahrsten Sinne des Wortes die Fortsetzung von LOST BOY LOST GIRL ist. Die Geschichte aus ersterem wird fortgesetzt und, wenn ich die Buchbesprechungen von LOST BOY LOST GIRL richtig deute, gleichzeitig zu einem großen Teil entmystifiziert. Aus diesem Grund werden wohl einige Freunde des altvorderen Romans davon enttäuscht sein, dass Straub bei IN THE NIGHT ROOM alternative Deutungsweisen des Geschehenen nicht mehr zulässt. {Lieber Leser. Falls Ihnen der vorstehende Absatz nicht viel sagt, mag das daran liegen, dass auch Sie LOST BOY LOST GIRL noch nicht gelesen haben. Deshalb mein Rat, fangen Sie damit an, bevor Sie zu IN THE NIGHT ROOM greifen, denn letzterer liest sich wirklich wie ein 2. Teil. Wenn man Bemerkungen am Ende der Geschichte richtig deutet, wird es sogar noch einen 3. Teil geben, genannt KALENDAR'S REALM} Was also erwartet den Leser in IN THE NIGHT ROOM? Der Schriftsteller Timothy Underhill verarbeitet immer noch den Tod seines Neffen Mark, der im berüchtigten Kalendar-Haus in Millhaven, die Heimatstadt der Underhills, ums Leben kam. Dies tat er schon in seinem Roman LOST BOY LOST GIRL und nun, schon etwas abstrakter, in IN THE NIGHT ROOM. In Underhills Leben sind schon viele merkwürdige Dinge geschehen, z.B. begegnet er ab und zu mal dem Geist seiner, im Kindesalter, ebenfalls ermordeten Schwester April, so dass ihn einige seltsame Nachrichten, von offensichtlich toten Bekannten, per E-mail zugestellt, nicht wirklich schockieren. Diese Nachrichten sind meist unsinnige Andeutungen oder gar Beschimpfungen. Nur ein Absender, mit dem Pseudonym Cyrax, gibt im detailreicher Auskunft. Später sogar in Chatform. Richtig erregt wird Tim Underhill aber erst, als ihm seine Romanheldin Willy, aus IN THE NIGHT ROOM, persönlich gegenübersteht und er ihr gleich vertraut erscheint. Diese Vertrautheit rührt von zwei Aspekten her: 1. Underhill hat in seinem Roman Willy sein Alter Ego Tom Hartland als besten Freund zur Seite gestellt und 2. ist Willy nun einmal ein von ihm geschaffenes Wesen. Er schuf sie einerseits anhand seiner Vorstellung von Lily Kalendar, die Tochter des psychotischen Massenmörders Joseph Kalendar, der sie Zeit seines Lebens schwer mishandelt und scheinbar auch umgebracht hat und anderseits anhand seiner sexuellen Vorlieben. {Welcher Autor würde letzteres nicht tun :-)} Von Cyrax erfahren sie, dass die wirkliche Lily Kalendar keineswegs ein Opfer ihres Vaters geworden ist, sondern noch lebt. Leider ist Joseph Kalendar über diese Falschdarstellung in LOST BOY LOST GIRL so erbost, dass er sogar aus dem Jenseits zurückkommt, um Tim Underhill heimzuleuchten. Da er bei dieser Aktion das Konstrukt der verschiedenen Dimensionen in Gefahr bringt, ruft wiederum höhere Mächte auf den Plan, die von Underhill ebenfalls eine korrigierte Darstellung verlangen. Zu seiner Unterstützung schicken sie ihm den reichlich arroganten Engel WCHWHLLDN. Tim Underhill begibt sich gemeinsam mit Willy nach Millhaven, um den Verbleib von Lily Kalendar ausfindig zu machen. Verfolgt werden sie dabei von zwei Killern, die ebenfalls aus Underhills Roman in seine Realität gekommen sind, vom rabiaten WCHWHLLDN und Joseph Kalendar selbst. Wie sollte man IN THE NIGHT ROOM bewerten ? Der im Prinzip recht einfache Plot wird von Peter Straub mit reichlich skurrilen Details versehen die schon Spass machen, so müssen z.B. die aus dem Roman entsprungenen Protagonisten dauernt Nahrung aufnehmen (am liebsten Schokolade!), um in Underhills Realität weiter existieren zu können. Auch der Versuch den Killern zu entkommen, scheitert immer daran, dass sie als seine Kopfgeburten sowieso wissen, wo er sich gerade aufhält:-) Straub hat einen schönen Schreibstil, der ihn über John Saul oder gar Stephen King erhebt. An Dan Simmons reicht er allerdings nicht heran. Während in Woody Allens THE PURPLE ROSE OF CAIRO eine Filmfigur der Leinwand entsteigt, sind es hier Romanfiguren die real werden. Allerdings gestaltet Straub seine Geschichte so, dass mehrere folgende Variationen möglich sind: Steigt Willy wirklich aus den niedergeschriebenen Seiten oder schreibt sich Underhill selbst in Willys Geschichte herein ? Ganz klar wird das nicht und ist wohl von Straub auch so beabsichtigt. {Die Verschachtelung ist sogar noch komplexer, wenn man bedenkt, dass Peter Straub in seinem Roman IN THE NIGHT ROOM sein Alter Ego Timothy Underhill einen Roman mit dem Titel IN THE NIGHT ROOM schreiben lässt, in dem die Protagonistin einen Preis für ihr Buch IN THE NIGHT ROOM erhalten hat und deren bester Freund Tom Hartland das Alter Ego von Straub/Underhill ist...wenn sie wissen was ich meine:-)}. Das Manko dieser Geschichte ist, dass Straub einen Großteil seines Spannungsbogens im 15. Kapitel zusammenstürzen lässt, in dem er Underhill von Cyrax über die ganzen Zusammenhänge zwischen dem Jenseits, dem Diesseits, Josef Kalendar und allem anderen aufklären lässt. Von da ab, wird aus dem Mysterythriller ein Roadmovie, bei dem man schon weiss, wie es ausgehen wird. Tatsächlich gibt es praktisch keine überraschende Wendung mehr. Schade. Statt dessen lässt Straub seine Protagonisten kurz vor dem Ziel abdrehen, als sie eigentlich Lily Kalendar schon gefunden haben. Wobei deren Zögerlichkeit keineswegs schlüssig erklärt wird. Es wäre dramaturgisch eindeutig besser gewesen, wenn man sie hier einfach noch nicht gefunden hätte. {Ich gehe davon aus, dass Straub das Geheimnis um Lily Kalendar noch für einen 3. Teil braucht.} Die Charaktere selbst sind gut gezeichnet und man interessiert sich dafür, was mit ihnen geschieht. Tim Underhill ist alles andere als ein Superheld und dementsprechend sensibel. Alles zusammen genommen ist Straub hier ein eher durchschnittlicher Roman gelungen. Nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut. Zu empfehlen ist er natürlich den Lesern von LOST BOY LOST GIRL, die wissen wollen, wie es weitergeht. Als Einstieg in Straubs Welten, ist er nur bedingt tauglich. |
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