Flying Blind In Shenzhen
Freitag, 24. August 2007
Elizabeth George MEIN IST DIE RACHE



Mit Derrick in der Lindenstraße
(1/5 Punkten)

Da ich nicht gerade der typische Krimileser bin, war ich schon gespannt, wie ich meinen ersten Roman von Elizabeth George finden würde, denn die Dame hat viele Anhänger.

Um es vorweg zu nehmen: Meine Reaktion auf das Werk ging von "Überraschung" bis zu "Enttäuschung".
Erwartet hatte ich einen Kriminalroman zu lesen, in dem im Prinzip ein Verbrechen geschieht, welches der Detektiv und seine Helfer aufklären. Ein Schuß Spannung kann auch nie schaden, obwohl mir schon klar war, dass George keine Thriller schreibt.
Gefunden habe ich eine Soap-Opera Situation in der alle Protagonisten irgendwie mit den Opfern und Tätern bekannt sind und verkehren!
Da ich bisher noch keinen der Lynley-Romane gelesen hatte, ist mir erst später das Licht aufgegangen, dass selbst der interessante Prolog, in dem sich scheinbar eine Prostituierte für die Arbeit fertig macht, für erfahrende George-Leser ganz anders darstellt und wenig überraschend sein dürfte. Denn auch hier tauchen schon bekannte Darsteller auf.

70% der Geschichte beschäftigt sich auch mit der Rahmenhandlung. Im Detail wäre das Frau Georges Idee vom Leben und den Sorgen in einer englischen adligen Familie, den Lynleys. Hier kommt alles vor, von der ehebrecherischen Mutter, die ihren Lover nicht heiraten kann, über den Sohn, der genau das verhindert, aber dauernd ein schlechtes Gewissen hat, bis zu dessen koksenden Bruder, der einfach nicht auf der Eliteuni bleiben will. Auch der loyale Hausverwalter mit seiner Tochter, die sich von einem Hallodri ein Kind machen läßt, damit der sie dann heiraten muss dürfen nicht fehlen. Selbstverständlich gibt es dann noch den bürgerlichen Bekanntenkreis, der keine unerhebliche Rolle spielt, denn Inspector Lynley gehört zwar zum Landadel, lebt und arbeitet aber in der Großstadt London.

Ach ja, einen Kriminalfall gibt es dann wirklich noch.
Das Mordopfer wird sogar ziehmlich böse zugerichtet, denn ihm sind im wahrsten Sinn des Wortes die Eier abgeschnitten worden.
Ich brauche wohl nicht extra zu erwähnen, dass es ein ständiges Mitglied des Ensembles ist, welches den Toten findet. Aus dem Pool der festen Darsteller kommen dann auch die Verdächtigen, die Ermittler, die um die Toten trauernden und selbst der Mörder.
Alle kennen sich untereinander und sind trotzdem immer wieder überrascht voneinander. Die Geschehnisse und Wendungen, die sich nun wirklich nicht mehr natürlich mit den Protagonisten verbinden lassen kommen dann halt zufällig: Lynleys Freundin kommt nach einem längeren Aufenthalt in den USA nach London zurück, um ausgerechnet die Wohnung neben der o.g. Prostituierten zu beziehen, die selbstverständlich eine entscheidende Rolle im Mordfall spielt. Ja ja, die Welt...Verzeihung...London ist halt ein Dorf.

Immerhin, das Lindenstraßenfeeling ist perfekt literarisch aufgearbeitet.

Das muss mir nicht gefallen, denn offensichtlich gefällt das vielen anderen. Man kann es George nicht zum Vorwurf machen, dass sie ihren Fans gibt, was diese wollen und erwarten.
Wenn ausschließlich die subjektive Sicht des Rezensenten der Maßstab für eine Bewertung des Buches wäre, dann hätte ich mich auch zum Kompromiss von drei Sternen durchgerungen. Doch leider spielen auch objektive Aspekte bei einer Buchbesprechung eine Rolle und da haben wir das Problem, denn dieser Roman hat literarisch qualitativ einfach nichts zu bieten.

1. Es gibt keinen Spannungsbogen. Zu keiner Zeit ist man wirklich daran interessiert, wer denn nun der Mörder ist, d.h. für alle die nicht an der royalen Rahmenhandlung gefallen finden, ist es schlicht langweilig.

2. Eine deutliche Spur führt zu einem pharmazeutischen Unternehmen, aber zu keiner Zeit, taucht die Polizei dort auf, um ein paar Fragen zu stellen. Nicht mal unser Held Inspector Lynley kommt auf die Idee, sondern sein Freund Simon St. James, der dann auch als Nichtpolizist dort ermittelnd tätig wird (wie jetzt?). Ihm wird selbstredend Einlass gewährt und Rede und Antwort gestanden. Genau genommen ist es St. James der im Alleingang den Fall löst, oder anders ausgedrückt, hier tut Harri mehr als nur den Wagen holen:-)...Dies ist nur ein krasses Beispiel für die Unglaubwürdigkeit, die das ganze Werk durchzieht.

3. Glaubt man anderen Rezensenten, so recherchiert Elizabeth George viel, um möglichst detailreich ihre Kriminalfälle zu schildern. Davon habe ich nichts bemerkt. Sicher, es muss nicht jeder Krimiautor ein kleiner Arthur Conan Doyle und nicht jeder Ermittler ein Sherlock Holmes sein, aber ein wenig CSI-Geist sollte in einem modernen Kriminalroman schon herrschen.

4. Elizabeth George erzählt ungeheuer adjektivreich, damit auch der abgestumpfteste Leser jederzeit genau weiss, was die Protagonisten nun genau empfinden. An vielen Stellen wirkt dieses Stilmittel
nur lächerlich, besonders wenn die Empfindungen so gar nicht zu der handelnden Figur passen.

5. Man merkt deutlich, dass Elizabeth George selbst Amerikanerin ist und offensichtlich fleißig die einschlägige Regenbogenpresse durcharbeitet, damit sie ihre Vision der Bronx in ihre Version einer englischen Adelfamilie assimilieren kann. Schon gut: Widerstand ist zwecklos!

6. Der ganze Roman liest sich sehr holprig. Das kann entweder an Georges Feder liegen oder aber an der Übersetzerin Mechthild Sandberg-Ciletti. Ich vermute eher letzteres. Es kommt also nicht mal sprachlich eine Art von Genuss zustande und das gibt dem Werk wirklich den Rest.


Alles in allem kann ich einfach kein gutes Haar an diesem Roman lassen. Kaum Fisch und zu wenig Fleisch. Schade um die verschwendete Lebenszeit.
Mir fällt auch niemand ein, dem ich diese Lektüre guten Gewissens empfehlen kann.
Am ehesten wohl noch Leser von Barbara Cartland, die mal einen besonderen Thrill brauchen. aber man weiss es nicht...

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Letzte Aktualisierung: 2016.09.09, 09:20


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