Flying Blind In Shenzhen
Sonntag, 24. Juni 2007
Stephen King CELL
Stephen King CELL

KASHWAK = NO-FO (2/5 Punkten)

Die Ausgangssituation dieses Werkes ist durchaus interessant.
Wenn man sich das menschliche Gehirn als eine Festplatte vorstellt, was geschieht, wenn diese durch einen Impuls von aussen gelöscht wird?

Welche Grundcodierung hat das zerebrale BIOS und wie wird das System wieder hochgefahren ?
Als Freund von pandemischen Endzeitgeschichten habe ich selbstverständlich diesen Roman gelesen, obwohl hier kein fieser Virus ursächlich für die Katastrophe ist, sondern offensichtlich eine Manipulation der Funktelefonnetze.

Das ganze ist eigentlich wie ein Kammerspiel angelegt. Die gesamte Handlung spielt erst in Boston und dann auf Wegen nördlich davon. Da nach dem fatalen Impuls die öffentliche Ordnung sofort! zusammenbricht und auch Rundfunk- und Fernsehsender nicht mehr auf Sendung sind, bekommt man keine Information darüber, was woanders passiert. Damit baut King hier weniger eine Atmosphäre, wie in seinem eigenen Roman THE STAND auf, sondern erinnert mehr an 28 DAYS LATER.

Die Geschichte selbst lässt sich grob in drei Abschnitte unterteilen:
1. Der Moment der Katastrophe (=1. Oktober 15:03 EST), in dem alle Leute, die gerade ein Handy benutzen das Gehirn entleert wird. Laut Herrn King besagt die verbleibende ursprüngliche Befehlszeile: Töte alles und jeden, der dir begegnet. Hier finden auch die ersten Protagonisten zueinander.
2. Die unkontrollierte Gewalt ebbt ab. Die Menschen mit dem erworbenen Wahnsinn bilden Gruppen und entwickeln telepathische Fähigkeiten. Unsere Protagonisten kommen zu einem Schulgelände, auf dem sich noch zwei "Normalos" befinden, nämlich der alte Direktor und ein computerversierter Schüler. Alle zusammen stellen fest, dass man den armen vom Wahnsinn befallenden am besten helfen kann, in dem man sie abfackelt. Tatsächlich wird der Massenmord ohne Gegenstimme beschlossen und durchgeführt. Leider hatte man nicht damit gerechnet, dass die telepathisch immer stärker werdenden Verrückten weniger Individuen sind, als vielmehr eine einzige Entität. Diese Entität fordert nun selbst Gerechtigkeit.
3. In der Hoffnung den Sohn eines Protagonisten in Maine zu finden, macht sich die Gruppe weiter auf den Weg nach Norden, was letztendlich auch von der Entität so gewollt ist, denn die Massenmörder sollen nicht einfach angegriffen und getötet, sondern öffentlich an einem bestimmten Ort, namens Kashwak, hingerichtet werden.
Dort kommt es dann zum Showdown.

Ich denke man kann schon anhand meiner obigen Beschreibung entnehmen, dass mich dieser Roman wenig überzeugt hat. Dabei kritisiere ich nicht mal die Art und Weise, wie sich der Impuls auf das Gehirn auswirkt und auch nicht, dass sich die Kranken dann zu Telepathen und z.T. auch zu Telekineten entwickeln. Dies ist letztendlich ein phantastische Geschichte und King nimmt sich halt das Recht, diese so vorankommen zu lassen.

Was mich wirklich stört ist folgendes:
1. Die starke innere Unlogik der Geschichte. Offensichtlich fallen viel mehr Menschen dem Impuls zum Opfer, als übrigbleiben. Da es wohl eher unwahrscheinlich ist, dass 90% der Bevölkerung Bostons am 1. Oktober um 15:03 Uhr ihr Handy benutzen, muss sich ein Grossteil der Leute später das Gehirn geplettet haben. Einer der Hauptpersonen bemerkt allerdings schon nach 5 Minuten, was die Quelle des Übels ist und versucht andere zu warnen. Jetzt ist die Frage, wieso versteht eine Person unter Millionen sofort was vor sich geht, während alle anderen nach dem Schock erst einmal zum Handy greifen um den Pizzaservice anzurufen ?
Oder: Einer anderer Protagonist schafft es eine fernzündbare Bombe zu präparieren, ohne dass die telepathische Entität etwas davon mitbekommt, obwohl diese die Wallfahrer schon seit langer Zeit beinflusst. Damit das Geheimis auch ein Geheimnis bleibt, nimmt sich der Bombenbauer selbstverständlich im Laufe der Handlung das Leben. (Hallo!!!)
2. Dieselbe Person, die den Grund der Katastrophe blitzschnell erkennt, ist im Laufe der restlichen Handlung eher begriffstutzig. King versucht daurch Spannung zu erzeugen, indem er einen Protagonisten Andeutungen machen lässt und dann gerätselt werden darf, was eigentlich gemeint ist. Stellvertretend für den Leser rätselt unser Held.
3. Weder das Schicksal von ein paar tausend gebratenen Wahnsinnigen noch der Tod einiger aus der Gruppe der "Normalos" macht den Leser betroffen. King schafft es hier einfach nicht für irgendeinen Charakter so etwas wie Symphatie aufzubauen.
4. Die Handlung ist zu keiner Zeit unvorhersehbar oder überraschend. Vielmehr wird das Ende unglaublich lange hingezogen. Der Roman wäre wesentlich rasanter, wenn King unwichtige Details ausgesparrt und auf etliche Wiederholungen verzichtet hätte.

Fazit: Man merkt hier besonders, wie der Auto King beim Schreiben eines Romans vorgeht: Er fängt an eine Idee zu entwickeln und schreibt drauf los, ohne wirklich zu wissen wo die Reise hingeht. (siehr S. King: DAS LEBEN UND DAS SCHREIBEN) Manchmal funktioniert diese Methode, manchmal eben auch nicht. Hier trifft Fall zwei zu.

Was man auch unbedingt beachten sollte ist, dass Kings Sprache alles andere als literarisch ist. Der Mann schreibt so wie er spricht und was uns damals in der Schule als Kardinalsfehler beim Verfassen eines Textes beigebracht wurde, hat sich für ihn als Erfolgsrezept herausgestellt.

Dieses Werk ist also wahrlich nichts für Humanisten und Schöngeister, wer aber nichts gegen eine Problemlösung a la G. Bush einzuwenden hat und dem der literarische Gehalt eines JOHN SINCLAIR-Romans genügt, der kann bedenkenlos zugreifen.


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