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Dienstag, 4. November 2008
Kevin J. Anderson (Hrsg.): WAR OF THE WORLDS - GLOBAL DISPATCHES
jensrb, 11:00h
Ein Fall von persistenter globaler Kollektivamnesie (4/5 Punkte) Die Geschehnisse über die Sie hier lesen sind aus dem kollektiven Gedächtnis der Menschheit nahezu verschwunden und tauchen in keinem Geschichtsbuch mehr auf, obwohl diese verheerende Ausmaße angenommen hatten. Im Jahre 1900 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen zwei Planeten, wobei die Bewohner des Mars eine großangelegte Invasion, im militärischen wie auch im biologischen Sinne, der Erde durchführten. In der dreiwöchingen Kernphase des Krieges stellen sich die Angreifer als technisch hoffnungslos überlegen heraus. Ihre 30 Meter hohen dreibeinigen Kampfmaschinen sind sowohl mit einem energiereichen Infrarotstrahler als auch mit giftigem schwarzen Gas bewaffnet. Wer nicht von dem Hitzestrahl verbrannt oder durch die chemische Keule getötet wird, ist für die Marsianer als kleiner Happen zwischendurch willkommen, denn die konsumieren mit Vorliebe Menschenblut durch Direktinjektion. Um die Erde ein wenig heimischer und gemütlicher zu machen, sähen die Invasoren auch überall marsianisches Rotkraut aus, welches unverzüglich loswuchert, um terrestrische Gewächse zu verdrängen. Hätten die Marsianer die Effektivität unserer hauseigenen pathogenen Organismen nicht so maßlos unterschätzt, dann könnte ich heute weder diese Rezension schreiben, noch könnten Sie sie lesen. Trotz oder gerade wegen des millionenfachen Leids, welcher dieser erste interplanetare Krieg verursacht hat, wurde dieser Konflikt aus der Menschheit Bewußtsein verbannt und heute legen nur noch wenige Dinge Zeugnis darüber ab. Die bekanntesten dürften die von H.G. Wells veröffentlichte Schrift WAR OF THE WORLDS (dt. KRIEG DER WELTEN) und das Mahnmal in Woking sein, welches eine marsianische Kampfmaschine darstellt. Wir erinnern uns sehr dunkel: Woking in England ist der Ort, an dem der erste marsianische Raumzylinder einschlug (Von Landung zu sprechen, wäre eine Beleidigung für jeden Albatros). Aufgrund seiner Veröffentlichung war es auch Herr Wells welcher Berichte anderer Zeitzeugen der Ereignisse sammelte und sich dann entschloss einige von ihnen ebenfalls der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dabei wählte er diejenigen aus, welche von nicht minder bekannten Persönlichkeiten verfaßt worden sind, als er selbst eine war. Um die teilweise hastigen Aufzeichnungen der Zeitzeugen lesbarer zu gestalten, wurde diese vor der Veröffentlichung noch von {Lektoren} bearbeitet. Um Ihnen einen kleinen Überblick über den brisanten Inhalt und die einzelnen Autoren dieses explosiven Werkes zu geben hier eine kleiner Schnelldurchlauf: H.G. WELLS: FOREWORD {Kevin J. Anderson} Herr Wells erzählt kurz mit eigenen Worten, wie es zu dieser extravaganten Sammlung von Texten historischer Größen gekommen ist. TEDDY ROOSEVELT: THE ROOSEVELT DISPATCHES {Mike Resnick} In seiner Zeit als Anführer der Kavallerieeinheit, der Rough Riders, auf Kuba während des Spanisch-Amerikanischen Krieges gelang es ihm nicht nur einen Spanier sondern auch, nach harten Kampf, einen spazierfreudigen Marsianer zu erlegen. Nicht umsonst ist der Mann George W. Bushs großes Vorbild als Präsident der USA. PERCIVAL LOWELL: CANALS IN THE SAND {Kevin J. Anderson} Der von den Marskanälen faszinierte amerikanische Astronom wird, wie sein englischer Kollege Ogilvy, Zeuge wie die Raumzylinder von der Marsoberfläche starten. Um es den überrschenden Gästen leichter zu machen, begeben sich beide in die Sahara und lassen dort ihrerseits einige Kanäle ausheben. Diese werden mit Petroleum gefüllt, um dann angezündet als Signalfeuer zu dienen. Als kurze Zeit später tatsächlich ganz in der Nähe einer der Zylinder Nähe niedergeht, macht sich Lowell sofort in freudiger Erregung auf den Weg, denn er will der erste Mensch sein, der einem Marsianer die Tentakel schüttelt. DOWAGER EMPRESS OF CHINA: FOREIGN DEVILS {Walter Jon Williams} Die Kaiserinwitwe und -mutter Cixi hat die Nase reichlich voll davon, dass Sie nicht mehr Herrin im eigenen Land ist. Zunächst erfreut darüber, dass die marsianischen Kampfmaschinen mit den kolonialen Armeen der Europäer kurzen Prozess machen, befindet sie sich bald samt Hofstaat selbst auf der Flucht. Letztendlich schlägt sie doch Kapital aus den Ereignissen. PABLO PICASSO: BLUE PERIOD {Daniel Marcus} Der Künstler erlebt zusammen mit seinen Freunden Casagemas und Germaine hilflos den Fall der Stadt der Liebe. Seine scharfen Beobachtungen inspirieren Picasso zu der Schaffensphase, die heute unter dem Namen Die Blaue Periode bekannt ist. HENRY JAMES: THE MARTIAN INVASION JOURNALS OF HENRY JAMES {Robert Silverberg} Er war von Anfang an dabei und hat alles akribisch in seinem Tagebuch festgehalten. Aufgestachelt von seinem Freund H.G. Wells machen sich beide zusammen auf, um den Raumzylinder, der in Woking, England, angekommen ist zu besichtigen. Dort treffen sie auch den Astronom Ogilvy. Nachdem der Zylinder sich geöffnet hat und die Marsianer den Angriff starten, fliehen sie zurück nach London, nur um eine verlassene Großstadt vorzufinden. Hier halten sie sich versteckt und erleben den Untergang der Angreifer mit. Noch im Juli 1900 beginnt Henry James seinen Roman THE WAR OF THE WORLDS zu schreiben, welchen er im November desselben Jahres beendet. Warum das Werk schließlich unter dem Namen von H.G. Wells veröffentlicht worden ist, wird wohl für immer eines der größes Geheimnisse der Literatur bleiben. WINSTON CHURCHILL & H. RIDER HAGGARD: THE TRUE TALE OF THE FINAL BATTLE OF UMSLOPOGAAS THE ZULU {Janet Berliner} Umslopogaas war der eigeborene Gefährte von Allan Quartermain in H. Rider Haggards Romanen. Churchill selbst ein großer Liebhaber dieser Romane, hatte sich immer gefragt, warum Umslopogaas in seinem letzten Kampf den schwarzen Marmorblock zertrümmert, den er eigentlich beschützen wollte. Nun begegnet Churchill, der als Kriegsberichterstatter im zweiten Burenkrieg in Südafrika unterwegs ist, Umslopogaas persönlich und findet es heraus. TEXAS RANGERS: NIGHT OF THE COOTERS {Howard Waldrop} Erleben Sie wie Sheriff Lindley von Pachuco County mit Hilfe seiner Deputies eine marsianische Kampfmaschine erlegt und im Anschluss noch drei Raumzylinder entsorgt. Sein Kampfschrei: Remember the Alamo ! Den geringsten Spassfaktor dürften die Invasoren in Texas gehabt haben. ALBERT EINSTEIN: DETERMINISM AND THE MARTIAN WAR, WITH RELATIVISTIC CORRECTIONS {Doug Beason} Auf seiner Fahrt von Zürich nach Milan wird Einsteins Zug von einer marsianischen Kampfmaschine angegriffen. Nachdem es unwahrscheinlich erscheint zu Fuß zu entkommen, entschließt sich Einstein den Feind zu überlisten. Das Manöver gelingt und Einstein schafft es, vermutlich als einziger Mensch überhaupt, in das Innere einer noch voll funktionsfähigen Kampfmaschine zu gelangen. Dort bestaunt er die unglaubliche Technik und erlebt am eigenen Leib eine Zeitdilatation. Als er nämlich nach einigen Stunden wieder aus der Kampfmaschine kommt, sind draußen zweieinhalb Wochen vergangen. Einstein findet dadurch den Ansatzpunkt für eine weltbewegende Theorie. RUDYARD KIPLING: SOLDIER OF THE QUEEN {Barbara Hambly} Kipling erlebt zusammen Angehörigen der Armee Ihrer Majestät den Fall von Kalkutta, Indien. Nur mit Hilfe indischer Freiheitskämpfer, unter ihnen ein gewisser Gandhi, überlebt er das Abenteuer, denn diese haben Erfahrung mit der Guerillataktik. EDGAR RICE BURROUGHS: MARS - THE HOME FRONT {George Alec Effinger} Burroughs bekommt Besuch von seinem Onkel John Carter, der schon vor geraumer Zeit auf den Mars ausgewandert ist. Dieser erzählt ihm davon, wie er und seine roten Marsianer die Abschussbasis der Sarmak, so heißen nämlich die Invasoren, gefunden und zerstört haben. Carter äußert noch die Bitte, die Menschheit möge doch auf Rache gegenüber den Marsbewohnern verzichten, da nun die Wiederholungsgefahr gebannt sei, bevor er sich wieder auf den Weg nach hause macht. Anmerkung: Ein Teil dieser Erzählung wird übrigens als Prolog zu Alan Moores THE LEAGUE OF EXTRAORDINARY GENTLEMEN Band 2 verwendet. JOSEF PULITZER: A LETTER FROM ST. LOUIS {Alan Steel} Arthur Barnett, der Reporter für die St. Louis Post-Dispatch ist, berichtet in einem Brief an seine Schwester Rachel, von der Vernichtung der Stadt durch die Marsianer und wie er in den Wirren zum ersten mal seinem Arbeitgeber, dem Verleger Josef Pulitzer, persönlich begegnet. Für beide endet die Sache eher tragisch. LEO TOLSTOY: RESURRECTION {Mark W. Tiedemann} Der adlige Leo Tolstoy bringt hunderte von Flüchtlingen auf seinem Gut im Kaukasus unter. Major Sekhim verspricht den militärischen Schutz mit seinen Kosaken zu gewährleisten, doch zur Beschaffung für alles was die Menschen zum Überleben brauchen erweist sich ein gewisser Iosef Vissarionovich als unersätzlich. Leider bezeichnet Sekhim Iosefs Methode als Diebstahl und empfindet sie als verwerflich. JULES VERNE: PARIS CONQUERS ALL {Gregory Benford und David Brin} Während sich Picasso in sein Atelier zurückzog und sich seinem Blues hingab, war Jules Verne nicht gewillt seine Stadt den Marsianern kampflos zu überlassen. Verne, bekannt für seine Liebe zur Wissenschaft, baut mit anderen eine starke Batterie und setzt den Eifelturm unter Strom. Letztendlich schafft er es, dass die Invasoren nicht nur dem Charme von Paris, sondern auch seiner Elektrofalle erliegen. Herr Wells weist in seinem Vorwort schon darauf hin, dass die Herren Picasso und Verne, aufgrund unterschiedlicher Sicht der Dinge, nach diesem Krieg kein Wort mehr miteinander gewechselt haben sollen. H.P. LOVECRAFT: TO MARS AND PROVIDENCE {Don Webb} Gerüchte gehen um, dass die Marsianer schon lange vor dem Beginn der eigentlichen Invasion ihr Agenten auf der Erde hatten. Lovecrafts geheimer Bericht deutet darauf hin, dass er einer eben dieser Schläfer war. Seine Kommunikationsmittel: Die Farbe aus dem All und ein leuchtendes Trapezoeder. Es gibt Hinweise darauf, dass der Mars geräumt werden muss, weil eine große alte Macht aus Versehen wiedererweckt worden ist. Lovecraft leugnete später, dass es den Überfall der Marsianer auf die Erde überhaupt gegeben hat. Verdächtig, verdächtig. MARK TWAIN: ROUGHING IT DURING THE MARTIAN INVASION {Daniel Keys Moran und Jodi Moran} Auf ihrer transatlantischen Passage von England nach New York werden Mark Twain, seine Frau sowie auch alle anderen Passagiere Zeuge einer Schlacht zwischen marsianischen Kampfmaschinen und der US-Navy. Da diese für letztere nicht gut ausgeht, entschließt sich Captain Davis nach Süden auszuweichen. In einem fast völlig entvölkerten New Orleans wird der Plan geschmiedet einen Marsianer gefangenzunehmen, oder am besten gleich ein Männchen und ein Weibchen zu Zuchtzwecken. JOSEPH CONRAD: TO SEE THE WORLD END {M. Shayne Bell} Der Kongo. Schwer krank wird, der als Flussdampferkapitän arbeitende, Joseph Conrad von seinen belgischen Kollegen zurückgelassen. Da die Belgier nur auf Profit aus sind, ist der kranke Conrad nur ein lästiger Kostenfaktor. Die Afrikanerin Sililo rettet ihn jedoch und warnt ihn gleichzeitig vor dem kommenden Ende der Welt. Es ist auch Sililo, die Conrad und seiner Familie, während der Invasion durch die Marsianer, in einem Versteck im Dschungel in Sicherheit bringt. Conrad wird bald klar, welches Unrecht die Kolonisten den Afrikanern antun. JACK LONDON: AFTER A LEAN WINTER {Dave Wolverton} Hundekämpfe sind im Alaska des ausgehenden 19. Jahrhunderts nichts seltenes. Ein Freizeitspaß bei dem auch noch ordentlich gewettet werden kann. Ungewöhnlich war jedoch der Kampf zwischen mehreren Hunden und einem Marsianer, der schon seit längerem seine Ration Frischblut nicht mehr bekommen hat. Alkohol und Spiele. Alles was das einsame Trapperherz begehrt. EMILY DICKINSON: THE SOUL SELECTS HER OWN SOCIETY - INVASION AND REPULSION - A CHRONOLOGICAL REINTERPRETATION OF TWO OF EMILY DICKINSON'S POEMS - A WELLSIAN PERSPECTIVE {Connie Willis} Wie der Titel schon ausdrückt, handelt es sich hierbei nicht um einen Bericht Dickinsons über die Invasion vom Mars, die sie auch aus lebzeitechnischen Gründen nicht persönlich erlebt haban kann, sondern um eine Textanalyse zweier Absätze ihrer Gedichte. Connie Willis weist nach, dass der neben dem Friedhof von Amherst niedergegangene Raumzylinder, mit großer Wahrscheinlichkeit ein Opfer von Dickinsons posthumer Dichtkunst* geworden ist. Nicht besonders angetan über die Störung ihrer Totenruhe sendete die gute Emily einige schnell verfaßte Gedichte zu den Marsianern, bis die armen völlig durcheinander den Rücksturz zum Mars antraten**. * Böse Zungen behaupten, dass Emily Dickinson das große Vorbild für Douglas Adams Vogonen ist. ** Entgegen der geläufigen Meinung, waren es nicht die terranischen Bakterien, die die Marsianer letztendlich erledigt haben, sondern metaphysische Dichtung. JULES VERNE: AFTERWARD - RETROSPECTIVE {Gregory Benford und David Brin} In seinem Nachwort zu diesem Band hegt Jules Verne die Hoffnung, dass aus der Asche dieses ersten interplanetaren Krieges eine geeinte Menschheit hervorgeht, die ihre technischen Errungenschaften zum Wohle aller einsetzt. Wie allgemein bekannt, wurde aus den guten Vorsätzen nichts. Nur 14 Jahre später erschütterte ein hausgemachter globaler Krieg die Welt. Dieser war von ganz anderer Qualität, als alle kriegerischen Auseinandersetzungen zuvor - abgesehen vom Krieg der Welten. Es muss befürchtet werden, dass die zurückgelassene Technik der Marsianer doch zu militärischen Zwecken ausgeschlachtet worden ist: Siehe Panzer und Giftgas. Auch scheinen einige marsianische Gene in den Genpool der Menscheit gelangt zu sein: Man braucht sich nur mal einen gewissen Adolf Hitler genauer anzuschauen. Was die hier vorliegende Sammlung betrifft, so ist sie mit leichten Abstrichen für kritische Historiker sowie Freunde guter Science Fiction empfehlenswert. Nicht alle Lektoren haben gleich gute Arbeit geleistet, aber das Gesamtergebnis kann durchaus überzeugen. Always remember the Alamo! ![]() Die Kampfmaschine von Woking (Mahnmal): ![]() |
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